Zum 78. Afghanistan-Hilfseinsatzes hier die Beiträge unseres Einsatzteams aus Kabul:
Außen Vor und dennoch Mittendrin –
Arbeiten in einem Land wo Krieg und Selbstmordanschläge den Alltag der Menschen prägen
Kabul, 15.8.2018
Hallo Deutschland,
auch Kabul, der Ort an dem wir gemeinsam mit unseren afghanischen Partnern nun die Vorbereitungen für den Flug der Kinder nach Deutschland treffen, wird immer wieder von grausamen Anschlägen heimgesucht. So auch gestern, gerade als wir den Arbeitsplan für den heutigen Tag erstellten, hörten wir in der Ferne heftige Detonationen. Zum Glück weit weg, dachten wir, als unser Partner zur Tür hereinkam und berichtete, dass gerade ein Selbstmordattentäter sich in Westkabul in einer Schule in die Luft gesprengt und viele Schülerinnen und Schüler getötet hätte. Bisher habe er nur bruchstückhafte Informationen, hoffe aber mehr herauszufinden. So versuchten wir übers Internet aktuelle Nachrichten zu erhalten, was uns jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht gelang. Ja wir arbeiten in einem Kriegsgebiet, dies wurde uns in diesem Moment wieder einmal bewusst vor Augen geführt. Doch wir, das Friedensdorf Team, sind ja nur kurze Zeit hier, beschützt an einem sicheren Ort und dann kehren wir zurück nach Deutschland. Doch wie leben eigentlich unsere Partner und ihre Familien mit dem alltäglichen Wahnsinn? Und so absurd es in unseren Ohren klingen mag, es scheint einen „ganz normalen Alltag“ zu geben. Anschläge, Tote, Schwerverletzte, die Sirenen der Krankenwagen, der Lärm der Hubschrauber, der weiße Zeppelin am Himmel ausgestattet mit Kameras, Detonationen und Schüsse werden zur Gewohnheit. Irgendwie versuchen die Menschen in Kabul einfach nur weiterzuleben und sich nicht einschüchtern zu lassen.
Heute Morgen beim Frühstück mit unseren Partnern war dennoch das Entsetzen über den gestrigen Anschlag in ihren Gesichtern zu lesen. Unser afghanischer Arzt hatte Tränen in den Augen „Warum 50 Kinder töten? Sie wollten doch nur für ihren Schulabschluss lernen, sie gefährden niemanden, sie waren alle zwischen 13 und 18 Jahre alt. Der Schmerz der Familien muss unvorstellbar sein.“
Ein anderer Partner, Vater von drei Kindern, hatte sich kurz überlegt, ob er sein Kind, das die 2. Klasse besucht, heute Morgen in die Schule bringen sollte. Er entschied sich dafür, seine Worte: „ Unsere Kinder brauchen eine gute Bildung, sie sind die Zukunft Afghanistans und werden das Land hoffentlich zum Besseren verändern.“
Als wir heute am Spätnachmittag durch die Straßen Kabuls fahren, ist von dem gestrigen Anschlag nichts zu spüren. In der Innenstadt wimmelt es von Menschen, die auf dem Bazar einkaufen, von Händlern, die ihre Waren am Straßenrand feilbieten, von unzähligen Autos, die sich durch das Verkehrschaos schlängeln. Eben ein „ganz normaler Tag“.
Euer Einsatzteam
Besuch im Marastoon (Gemeinschaft für den Frieden) – , eine Einrichtung unseres Projektpartners, dem Roten Halbmond
Kabul, 18.08.18
Hallo Deutschland,
inzwischen sind alle verletzten und erkrankten Kinder mit ihren Familien zu unserer Partnerorganisation gekommen. Unsere Sorge, ob die Familien aus den Provinzen die gefährlichen Reisen auf dem Landweg sicher und rechtzeitig bewältigen werden, erwies sich als unbegründet.
Die Familien hatten sich im Halbkreis im Hof versammelt, um gespannt unseren Worten und denen unserer afghanischen Partner zu lauschen. In drei völlig unterschiedlichen Sprachen (Deutsch, Dari, Paschtu) hörten nun ca. 150 kleine und große Menschen z.B. mit welchen Zeichen sich die Kinder im Flugzeug mit uns Ausländern fürs Erste verständigen können – wie etwa unsere Geste fürs Schlafen müde macht wie der Mond in der Dunkelheit . Dies wurde dann auch gleich praktisch eingeübt und entlockte so manchen Vätern ein herzhaftes Lachen. Neben der Zeichensprache wurde den kleinen Zuhörern auch ein Einblick in das Friedensdorfleben gegeben. „Ihr werdet im Friedensdorf Kindern mit anderer Hautfarbe, anderen Religionen und anderen Sprachen begegnen, die genauso wie ihr einfach nur gesund werden wollen. Dort leben wir in Frieden – Dekadesol – und respektieren einander. Auch im Krankenhaus braucht ihr keine Angst zu haben, dort wird man euch einfach nur helfen.“ Nach diesen Worten war rundum ein zustimmendes Kopfnicken der Erwachsenen zu sehen.
Wir wünschen Euch einen schönen Nachmittag.
Auf Wiederhören – Auf Wiedersehen – Khoda Hafez in Deutschland.
Euer Einsatzteam
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