Seit dem 9. Juli befinden sich Kevin Dahlbruch und Eva Kammhuber in Afghanistan, um den 80. Afghanistan-Hilfseinsatz vorzubereiten.
Kabul, 13.07.19
Hallo Deutschland,
seit 5 Tagen sind wir als Einsatzteam von Friedensdorf International wieder in Afghanistan. Weit über 350 Familien brachten in den vergangenen Tagen ihre verletzten oder kranken Kinder zum Roten Halbmond, der afghanischen Partnerorganisation von Friedensdorf International, in der Hoffnung auf Hilfe. Bei fast 40 Grad warteten sie mit unendlicher Geduld in der sengenden Sonne. Viele Kinder, die uns vorgestellt wurden, haben für deutsche Verhältnisse unvorstellbare Leidenswege hinter sich. So wurden z.B. seit Monaten die offenen Wunden vieler kleiner Patienten nicht behandelt, sondern nur notdürftig mit inzwischen verdreckten Verbänden versorgt, geschweige denn sie hätten die notwendigen Antibiotika erhalten. Andere wurden bereits mehrfach – aber letztlich erfolglos – operiert. Immer wieder auf´s Neue erleben wir die unfassbare Tapferkeit der Kinder, die sich ihrer Tränen schämen, wenn ihre verkrusteten Verbände gewechselt werden.
Seit nun mehr 31 Jahren hat sich die medizinische Versorgung für den Großteil der Bevölkerung in Afghanistan nicht wesentlich verbessert, wie vor Jahr und Tag gilt, wer nichts hat, bekommt auch nichts. Die Menschen resignieren unter den seit Jahrzehnten anhaltenden Kämpfen, Selbstmordattentate unterschiedlicher Gruppierungen gehören inzwischen auch in Kabul zum Alltag, die aktuellen Friedensgespräche werden ohne Euphorie wahrgenommen.
Doch in all dem gibt es für die Familien einen Hoffnungsschimmer, ihre Kinder. Für ihre Genesung nehmen sie Alles auf sich, die Strapazen langer gefährlicher Reisen, das Besorgen nötiger Dokumente, Übernachtungen im Freien, u.v.m. Nun bereiten wir die Ausreise der Kinder vor und danken jetzt schon allen Krankenhäusern, die sich bereit erklären, diesen kleinen Patienten zu helfen.
Euer Einsatzteam
Kabul, 12. August 2019
Hallo Deutschland,
seit gestern sind wir wieder in Kabul und bereiten Alles für die Ausreise der kleinen Patienten nach Deutschland vor. Pausenlos klingelt das Handy unserer Partner vom Afghanischen Roten Halbmond (ARCS). Eltern wollen wissen, wann sie morgen mit ihren kranken Kindern im Friedensdorfbüro sein müssen. Gleichzeitig erkundigen sich bereits andere Familien, ob und wann nun ihr in Deutschland behandeltes Kind nach Hause zurückkehrt. „Ob tagsüber, frühmorgens um 2 Uhr oder um Mitternacht, seit Tagen rufen die Familien an. Die Sehnsucht nach ihren Kindern kennt keine Zeit“, so beschreibt Dr. Marouf, unser Arzt in Afghanistan lächelnd das ständige Gebimmel. „Sechs Monate und mehr haben sie auf ihre Kinder gewartet, jetzt wollen sie die Kleinen nur noch bei sich haben.“
Bevor wir die „Flugtaschen“ für die neuen kleinen Patienten mit Medikamenten und Verbandsmaterial, Windeln sowie Kinderkleidung unterschiedlicher Größen zum Wechseln, vorbereiten, besichtigten wir heute das Krankenhaus des ARCS (Afghan Red Crescent Society), unserer Partnerorganisation in Afghanistan.
Täglich kommen ca. 600 – 700 Patienten hierhin. Die meisten von ihnen werden ambulant versorgt. Neben Akutverletzungen werden Impfprogramme organisiert und Schwangerschaften medizinisch begleitet. Auch können dort kleinere Operationen durchgeführt werden. Die stationären Patienten liegen in einem 11 und einem 7 Bett Zimmer. Ein Pfleger oder eine Krankenschwester sind rund um die Uhr in den Krankenzimmern anwesend. Die Behandlung in der Klinik ist kostenlos, zuweilen müssen die Hilfesuchenden jedoch die Medikamente selbst besorgen, die nicht im Krankenhaus vorrätig und/oder zu speziell sind. Täglich kommen auch über 100 Patienten mit Leishmaniose, einer Infektionskrankheit, die durch eine spezielle Mückenart übertragen wird und besonders bei immungeschwächten Menschen zu schwerwiegenden Folgen führen kann. Neben der Behandlung wird hier auch präventiv gearbeitet und so erklären detaillierte Bildtafeln, wie sich der Einzelne vor dieser Erkrankung schützen kann und welche Hygienemaßnahmen zu beachten sind.
Wir freuen uns mit unseren Partnern, dass dieses Gebäude seit seiner Errichtung 1990 trotz jahrzehntelanger Kriegswirren immer noch steht und heute als Poliklinik des Roten Halbmondes vielen bedürftigen Kranken und Verletzten eine kostenlose medizinische Behandlung ermöglicht.
Herzliche Grüße
Euer Einsatzteam
Kabul, 13. August 2019
Kabul, 20.08.2019
Hallo Deutschland!
Eigentlich wollten die Menschen gestern in Kabul den 100-jährigen Unabhängigkeitstag ihres Landes feiern, doch es war ungewöhnlich ruhig in den Straßen der Stadt. Nur wenige Geschäfte hatten geöffnet und das übliche Verkehrschaos blieb – zumindest wie wir dies am Nachmittag erlebten – weitgehend aus. Einige kleine Autokonvois geschmückt mit afghanischen Flaggen fuhren hupend durch die Millionenstadt, Menschen waren kaum auf den Straßen zu sehen.
Aus Respekt vor den vielen Toten und Verletzten, die vor drei Tagen bei einer Hochzeitsfeier Opfer eines grausamen Selbstmordattentats wurden, hatte die afghanische Regierung wohl alle öffentlichen Feiern abgesagt. Nur kurz berichteten uns die afghanischen Partner mit feuchten Augen über den Anschlag, hier geht man nicht mehr in die Tiefe, denn das tägliche Sterben gehört zum Alltag Kabuls. Wir merken, dass für uns dieser Alltag unfassbar irreal ist, wir entsetzt sind und keine Worte finden.
Ein großes Gejohle und Geklatsche begann im Flugzeug, als wir Samstag morgens zum Landeanflug auf Kabul ansetzten. Die Kinder waren kaum auf ihren Sitzen zu halten, denn für sie gab es nur eins: „Nach Hause, nach Hause!“. Nach einem langen Flug konnten wir sie endlich hundemüde, aber glücklich an ihre Familien übergeben. Ausführlich informierten wir ihre Angehörigen über den Behandlungsverlauf der ehemaligen kleinen Patienten im Krankenhaus und beschrieben ihnen den Alltag im Friedensdorf. Einige der Heimkehrer waren kaum zu bremsen. Es schien als wollten sie all ihre Erlebnisse der letzten Monate in Deutschland sofort loswerden, während die Eltern z.T. müde von der langen Reise nach Kabul nur schwer die Augen offen halten konnten.
In diesen Momenten der Übergabe der Kinder an ihre Familien wird uns wieder einmal bewusst wie wichtig die Hilfe des Friedensdorfes ist für die Menschen hier, die seit 40 Jahren im Ausnahmezustand leben. Von Unabhängigkeit keine Spur, mehr denn je ist die afghanische Bevölkerung abhängig von nationaler und internationaler Unterstützung, die sich an ihren Bedürfnissen orientiert. Die afghanischen Kinder werden noch viele Jahre Hilfe von uns brauchen, damit sie überhaupt eine Chance haben adäquat medizinisch behandelt zu werden.
Wir, Friedensdorf International, wünschen Afghanistan
Frieden und Selbstbestimmung, wirkliche Unabhängigkeit.
One Response
Team Friedensdorf International
Lieber Herr Hörstmann,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Afghanistan ist sicherlich seit vier Jahrzehnten kein sicheres Land mehr. Doch fragt man die afghanischen Friedensdorf-Kinder ist es für sie das schönste Land der Welt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Friedensdorf-Team