Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die verschiedenen Friedensdorf-Bereiche aus?
Im Januar ist in Deutschland der erste Fall einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus aufgetreten. Am 11. März rief die WHO eine Pandemie aus und daraufhin folgte ein bundesweiter Lockdown. Mittlerweile wurden in Deutschland einige Maßnahmen wieder gelockert, auf die Friedensdorf-Arbeit hat die Corona-Pandemie jedoch bis heute starke Auswirkungen.
Hilfseinsätze
Friedensdorf-Leiter Kevin Dahlbruch: „Direkt zu Beginn der Corona-Krise mussten im März unsere Einsätze für Usbekistan und Kirgistan ausfallen und wir konnten keine Kinder für eine medizinische Behandlung in Deutschland vorgestellt bekommen. Noch dramatischer wurde die Situation, als feststand, dass auch die Hilfseinsätze für angolanische und gambische Kinder im Mai nicht stattfinden konnten. Denn schließlich möchten wir Kinder nach ihrer Behandlung so schnell wie möglich zu ihren Familien zurückbringen und kranken Kindern eine medizinische Versorgung ermöglichen. Doch Einreisebeschränkungen, Schutzmaßnahmen und Einschränkungen in den Ländern machen Hilfseinsätze aktuell unmöglich. Hinzu kommt, dass zu Zeiten der Pandemie sich weniger Krankenhäuser bereit erklären Friedensdorf-Kinder aufzunehmen. Umso dankbarer sind wir natürlich den Kliniken, die uns weiterhin treu unterstützt haben und weiterhin unterstützen. Noch ist ungewiss, wann und wie es weitergehen kann, denn das Corona-Virus bestimmt leider die Regeln.“
Friedensdorf-Leiterin Birgit Stifter: „Bei der Projektarbeit kam es durch Hygiene-Maßnahmen und Kontaktbeschränkungen größtenteils zum Stillstand. Zwischendurch musste der Bau von Basisgesundheitsstationen pausieren und Sozialprojekte geschlossen bleiben. In unseren Projektländern trifft die Corona-Pandemie die Ärmsten am schlimmsten. Ein akutes Problem ist der Hunger. Aufgrund der Einschränkungen können viele Menschen nicht arbeiten oder haben ihren Arbeitsplatz verloren und können ihre Familien nicht mehr ernähren. In Kambodscha haben wir daher schnell mit Grundnahrungsmitteln und Hygieneartikeln geholfen. Auch in Tadschikistan konnten wir bedürftige Familien mit Lebensmitteln versorgen. Dort sind die Preise in der Corona-Krise so gestiegen, dass sich die Menschen kaum etwas zu Essen leisten können. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Projektarbeit ist und dass diese unbedingt gestärkt und fortgeführt werden muss.“
Projektarbeit
Verteilung von Grundnahrungsmitteln in Kambodscha
Heimbereich
Heimleitung Natalie Vienken: „In der Heimeinrichtung des Friedensdorfes leben die Kinder ihren Alltag ganz normal weiter. Wir haben mit den Kindern natürlich über die Situation gesprochen und sie haben gemerkt, dass keine Besucher, Ehrenamtler oder Schulklassen mehr ins Friedensdorf kommen. Wir haben ihnen erklärt, dass dies zu ihrem Schutz ist und auch, dass Hilfseinsätze, wie wir sie kennen, erstmal nicht möglich sind. Die Kinder sind alle sehr geduldig und halten fest zusammen. Bis heute versuchen wir das Leben im Friedensdorf zum Schutz der Kinder so weit wie möglich abzukapseln und Außenkontakt auf das absolute Minimum zu beschränken. Daher durften auch die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer sehr lange nicht im Dorf mithelfen und haben den Kindern sehr gefehlt. Wir sind froh, dass die Corona-Pandemie das Friedensdorf bisher verschont hat.“
"Danke, dass ihr Zuhause bleibt!"
Erzieherin Gaby Bucksteeg: „Den Kindern im Friedensdorf geht es gut und wir verbringen draußen sehr viel Zeit mit ihnen. Sie haben immer einen Spielplatz vor der Tür und viele Freunde um sich herum. Um für etwas Abwechslung zu sorgen, organisieren wir immer wieder besondere Freizeitaktivitäten für die Kinder im Friedensdorf: ein Sommerfest, Wasserpartys oder gemeinsames Grillen - wirklich langweilig wird es also nicht. Wir freuen uns, dass uns nun auch wieder ehrenamtliche Helferinnen und Helfer z. B. mit Bastel- und Malangeboten an der frischen Luft unterstützen können.“
Friedensdorf-Kind Ariclene, 8 Jahre: „Als ich im Krankenhaus war, habe ich im Fernsehen gesehen, dass auf der ganzen Welt Corona ist. Auch in Angola, wo meine Familie wohnt, gibt es Corona. Ich mache mir Sorgen um sie und hoffe es geht ihnen gut. Leider kann ich im Moment noch nicht nach Hause fliegen und keiner kann mir sagen, wann das wieder gehen wird. Ich vermisse meine Familie sehr… Aber ich wasche auch immer ganz viel meine Hände, damit ich und meine Freunde im Friedensdorf dieses „Bakterium“ nicht bekommen. Ich hoffe, dass Corona bald vorbei ist.“
Die Kinder im Friedensdorf bezeichnen alles was krank macht als Bakterium, da ihre eigenen Krankheiten, z. B. Knochenentzündungen, häufig durch Bakterien ausgelöst wurden.
Rehaleiterin Katrin Huskamp: „Die Corona-Pandemie hat die Arbeit in der Reha des Friedensdorfes deutlich verändert. Angefangen hat es damit, dass wir gleich zu Beginn der Krise durchgehend Mund-Nasen-Masken getragen haben, damit das Infektionsrisiko bei der medizinischen Versorgung der Kinder gesenkt wurde. Es ist nicht einfach, wenn die Kinder unsere Gesichter nicht mehr vollständig sehen, Mimik ist wichtig bei unserer Kommunikation. Wir in der Reha, haben es genossen mehr Zeit für die Untersuchungen der Kinder zu haben. Trotzdem haben uns die Aufregung und der Stress während der Hilfseinsätze gefehlt.“
Rehazentrum
Hauswirtschaft
Küchenleiterin Raissa Schneider: „Auch die Hauswirtschaft ist natürlich von der Corona-Pandemie betroffen. Wir teilen die Mitarbeiter in zwei Teams auf, um die Kontakte zu reduzieren und um den vorgegebenen Abstand bei der Arbeit zu gewährleisten. Besonders bei Aufgaben wie Kartoffeln schälen oder Gemüse schnippeln fehlen uns die zusätzlichen helfenden Hände der Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler. In der Küche sind wir jedoch ein gutes Team und stemmen auch diese Aufgabe gemeinsam. Für uns ist es immer schön zu sehen, dass wir mit heimatnahen Gerichten die Kinder gerade jetzt ein wenig aufmuntern und das Heimweh lindern können.“
Mitarbeiter Thomas Killmann: „Zum Glück hat die Corona-Pandemie bisher keine gravierenden Auswirkungen auf den Neubau des neuen Rehabilitationszentrums mit medizinischem Eingriffsraum. Zu Beginn der Krise haben Unternehmen, die am Bauprojekt beteiligt sind, uns Signale gegeben, dass es eventuell zu Lieferengpässen für Materialien aus dem Ausland kommen könnte. Auch ich hatte natürlich Bedenken, dass es durch die Kontaktbeschränkungen oder Krankmeldungen zu Personalausfällen bei den Handwerkern kommen würde. Glücklicherweise ist es dazu nicht gekommen. Da man auf einer Baustelle sowieso mit sehr viel Abstand und an der frischen Luft arbeitet, gibt es keine Probleme die Hygieneregeln einzuhalten. Bisher sieht es so aus, dass der Bau voraussichtlich Ende des Jahres trotz Corona-Pandemie fertig sein wird.“
Neubauprojekt
Der Neubau im Sommer 2020.
Krankenhausabteilung
Mitarbeiterin Raissa Neumann: „In der Krankenhausabteilung koordinieren wir die Behandlungen der Kinder bundesweit und bereiten die Hilfseinsätze im Ausland vor. Während des Lockdowns wurden Krankenhausaufenthalte seltener und viele Operationen oder Aufnahmen mussten verschoben werden. Außerdem werden die Kinder nun vor einem Krankenhausaufenthalt auf Covid-19 getestet. Langfristig fürchten wir, dass die Corona-Krise schwere Folgen für die verletzten und kranken Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten haben wird. Schon vor der Corona-Pandemie war es zunehmend schwierig, kostenlose Behandlungsplätze für die Friedensdorf-Kinder zu finden. Je weniger Krankenhäuser in Zukunft in der Lage sind Kinder kostenfrei zu behandeln, umso mehr Kinder werden in ihren Heimatländern ihrem Schicksal überlassen.“
Ehrenamtlerin Laura Niemeier: „Die Corona-Pandemie hat auf mein Ehrenamt in der Krankenhausbetreuung eine intensive zeitliche, aber auch eine schöne Auswirkung. Vor Corona haben wir mit viel mehr Ehrenamtlern die Kinder betreuen können und dadurch war ich nur ein bis zwei Tage in der Woche in der Klinik. Das Mädchen, das ich seit Mitte April in einer Duisburger Klinik betreue, darf nur von zwei Ehrenamtlern besucht werden. Ich versuche jeden zweiten Tag das Kind zu besuchen. Dies muss natürlich neben meinem Vollzeitjob gut geplant werden. Wenn ich bei dem Mädchen bin, kann ich die Corona-Krise für einen Moment ausblenden und schöne Momente mit ihr erleben. Die Entwicklung und Fortschritte beobachten zu können, ist einfach toll.“
Krankenhaus-
betreuung
Hilfsgüter
Mitarbeiterin Phuong Truong: „Der Bereich der Hilfsgüter hat sich durch die Corona-Pandemie sehr verändert. Zunächst einmal konnten wir viele gespendete Hilfsgüter nicht bei den Spenderinnen und Spendern abholen, um Kontakt mit außenstehenden Personen zu vermeiden. Normalerweise ist der Frachtraum des Charterflugzeugs bei Hilfseinsätzen gefüllt mit allen möglichen medizinischen Hilfsgütern wie Rollstühlen, Verbandsmaterial oder isotonischen Brausetabletten. Da der Charterflug nach Angola nicht stattfinden konnte, mussten unsere Partner zunächst auf die wichtigen Hilfsgüter warten, denn unsichere Flugpläne und höhere Frachtpreise erschweren die Logistik. Zum Glück ist es uns gelungen, Hilfsgüter zusammen mit den Dauermedikamenten für die ehemaligen Friedensdorf-Patienten mit einem Frachtflugzeug nach Angola zu schicken, ebenso wie nach Usbekistan. Auch in Tadschikistan konnten die ehemaligen Patientinnen und Patienten die Dauermedikamente noch erhalten. Wir hoffen sehr, dass wir Ende September auch für die ehemaligen Patientinnen und Patienten in Afghanistan die medikamentöse Nachsorge garantieren können.“
Verladung der Hilfsgüter für Usbekistan.
Mitarbeiterin Rebecca Proba: „Die Corona-Pandemie hat unsere komplette Bildungsarbeit innerhalb kürzester Zeit zum Stillstand gebracht. Mitte März mussten wir aufgrund der Schutzmaßnahmen alle Bildungsveranstaltungen von heute auf morgen absagen. Damit fehlen auch die wichtigen Einnahmen. Umso berührender war es, dass einige Teilnehmende die Teilnahmegebühr für ausgefallene Kurse an das Friedensdorf gespendet haben. Wir nutzten die Zeit, um kreative neue Ideen zu schmieden und zu überlegen, wie wir unsere Inhalte auch digital vermitteln können. Doch der Kern unserer Bildungsarbeit bleibt nach wie vor die Begegnung, die nun unter anderen Bedingungen stattfinden muss. Mit den ersten Lockerungen des Landes haben wir unter Berücksichtigung der hygienischen Schutzvorkehrungen einzelne Seminare wieder anbieten können.“
Bildungswerk
Öffentlichkeitsarbeit
Mitarbeiterin Claudia Peppmüller: „Seit Mitte März können keine Besucher in das Friedensdorf kommen. Das ist wirklich schade, denn unsere Erfahrung zeigt immer wieder: Wer einmal unsere Hilfe für die Kinder des Friedensdorfes, zum Beispiel im Rahmen eines offenen Dorfrundgangs, persönlich kennengelernt hat, der bleibt häufig auch ein langer Begleiter des Friedensdorfes. Besonders berührend ist es, dass sich viele Menschen nach der Situation des Friedensdorfes erkundigen. Wir sind zudem sehr traurig darüber, dass in diesem Jahr keine Veranstaltungen stattfinden können. Für die Kinder sind die Feste immer etwas ganz besonderes, aber auch die Besucher und Standbetreiber vermissen das einzigartige Ambiente, das z. B. auf dem Dorffest herrscht.“
Dieses berührende Bild wurde von den Friedensdorf-Kindern gemalt.
Mitarbeiter Wolfgang Mertens: „Zu Beginn der Krise bahnte sich ein Spendenrückgang an, der dramatisch hätte werden können. Daraufhin erfuhren wir eine große Welle an Solidarität von sowohl treuen als auch neuen Spendern. Beispielsweise spendeten die deutschen Lions mit einer spontanen bundesweiten Aktion über 500.000 Euro. Die Unterstützung während der Corona-Krise zeigt einmal wieder, dass wir uns auf die Lions in der Not verlassen können. Dafür sind wir sehr dankbar! Zudem haben Unternehmen und Privatpersonen an uns gedacht und uns Desinfektionsmittel, Masken oder Visiere gespendet. Da viele Geburtstags- oder Hochzeitsfeiern ausgefallen sind, haben wir uns gefreut, dass alternative Spendenaktionen entstanden sind, bei denen Personen für uns z. B. Masken genäht und verkauft haben.
Japan
Mitarbeiterin Maki Nakaoka: „Durch die Corona-Pandemie hat sich in unserem Arbeitsbereich viel geändert. Es begann damit, dass Schüler aus Nagasaki Ende März ihre Reise ins Friedensdorf absagen mussten. Weitere Besuche aus Japan und innerhalb Deutschlands wurden bis auf weiteres abgesagt. Dazu kam eine neue Idee: Wenn die Menschen nicht aus Japan kommen können, erreichen wir sie online. Im April fand ein Online-Vortrag über die Hilfe des Friedensdorfes mit 120 japanischen Teilnehmern statt. Aufgrund der Einreisebeschränkungen können seit April keine neuen Volontäre nach Deutschland kommen. Aktuell sind noch vier Volontäre aus Japan im Friedensdorf tätig. Wir sind sehr dankbar, dass viele Menschen in Japan weiterhin an das Friedensdorf denken und uns unterstützen. Besonders gefreut haben wir uns über die rege Beteiligung an der Aktion #50TagePower. Zusammenfassend kann man sagen: Wir mussten unsere Arbeitsbedingungen und auch die Methode ändern, aber wir versuchen trotz der neuen Situation unsere Aufgabe gut zu erfüllen.“
Yumiko Okagawa und Miyuki Uchitomi sind am Shinji-See in Japan für #50TagePower gelaufen.
Mitarbeiterin Sarah Beckmann: „Seit Beginn der Pandemie mussten wir die Annahmezeiten für Sachspenden aus logistischen Gründen auf montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr und samstags 9 bis 14 Uhr beschränken. Bis auf weiteres können wir zudem Sachspenden nur in der Dinslakener Zentralstelle annehmen. Wir sind sehr froh, dass wir es trotz der Einschränkungen immer geschafft haben, die Kinder im Friedensdorf ausreichend mit Kleidung zu versorgen. Außerdem mussten während des Lockdowns unsere Friedensdorf-Interläden sowie Friedas Welt schließen. Dadurch fehlten uns wichtige Einnahmen. Wir haben uns sehr gefreut, dass wir in dieser schweren Zeit von vielen Menschen die Rückmeldung erhalten haben, dass sie die Friedensdorf-Läden sehr vermissen. Während der Schließung haben wir die Zeit kreativ genutzt und für „Friedas Welt“ einen Online-Shop eröffnet. So können Kunden jetzt auch online eine große Auswahl an Dekoartikeln und Geschenkideen einkaufen. Mittlerweile sind wieder alle Läden geöffnet. Darüber sind wir sehr erleichtert.“
One Response
Shaiq
Ich war in Deutschland und habe tolle Persönlichkeiten und herzensgute Menschen kennengelernt. Alle Betreuer und Ärzte, die mir geholfen haben, bei denen bedanke ich mich aus tiefstem Herzen. Und gleichzeitig bedanke ich mich bei der Dame, die mich betreut hat. Sie ist in meinen Gedanken und ich liebe sie. Durch sie hatte ich nie das Gefühl, dass mir etwas gefehlt hat. Ich bedanke mich bei allen…