Wenn Sie von Krieg lesen, was stellen Sie sich darunter vor?
Lange Zeit dachte man an Schlachten, wie sie zu Zeiten des 30-Jährigen Krieges noch gekämpft wurden: Ritter schwingen ihre Schwerter auf einem Schlachtfeld. Heute kennen wir diese Bilder nur noch aus Geschichtsfilmen oder Fantasy-Romanen. Die Technik hat sich weiterentwickelt – allen voran die Waffen. Wenn wir heute an Krieg denken, kommen uns Bilder aus den Nachrichten in den Kopf: Explosionen, Panzer und drumherum zertrümmerte Straßen. Innenstädte und Wohngegenden werden zum Schlachtfeld. Schwert und Schild werden durch automatische Maschinengewehre, Raketenwerfer und Kampfdrohnen ersetzt. Und der Ritter? Der heutige Soldat schwingt schon lange kein Schwert mehr. In der Regel betätigt er den Abzug einer Waffe. Oder er sitzt weit entfernt in einem Sessel und betätigt schlicht einen roten Knopf.
In der globalisierten Welt sind unendlich lange Ketten der Abhängigkeit entstanden, die sich über Ländergrenzen und sogar Kontinente erstrecken. Eine Waffe, die von einem Soldaten betätigt wird, wird in mehreren Fabriken in Industriestaaten hergestellt. Die Arbeitenden, die die Maschine zur Herstellung der Waffe bedienen, benötigen das Geld, um ihre Familien zu ernähren. Finanziert wird diese Industrie unter anderem von Banken, bei denen die meisten von uns ein Girokonto haben.
Krieg findet weit entfernt statt – oder?
Wenn wir unser Smartphone entsperren, nehmen wir noch eine andere Seite des modernen Krieges wahr. Wir lesen von Terroranschlägen und Menschenfeindlichkeit mitten in Deutschland. Oftmals sehen wir sogar die Videos von der Tat selbst. Der extremistische Terror bringt die Kriege direkt vor unsere Haustür.
Das Internet wird in dem Zusammenhang leider immer häufiger als eine Plattform für Hass und Hetze missbraucht. Unsere Aufmerksamkeit ist auf wenige Augenblicke pro Beitrag beschränkt, dadurch muss die Kommunikation schnell und prägnant sein. Populistische Aussagen verbreiten sich schnell und Konflikte schaukeln sich hoch, anstatt gelöst zu werden. Wir sind mittlerweile an einem Punkt angekommen, wo viele nicht mehr überrascht sind, wenn ein atomarer Krieg über Twitter angedroht wird.
All diese vielen kleinen Zahnräder greifen ineinander, damit es schließlich zu den schrecklichen Szenarien kommt, die wir in den Nachrichten sehen.
Die Menschen, die am Ende unter den Folgen leiden, sind meistens unschuldig. Die Zivilbevölkerung in einem Kriegsgebiet kennt diese riesige Industrie mit ihren vielen großen und kleinen Zahnrädern schließlich nur in Form ihres Endproduktes – einer Waffe, durch die sie bedroht wird. Sie sind diejenigen, die unter der Zerstörung, Gewalt und Armut leiden. Und sie sind diejenigen, die aufgrund direkter und indirekter Folgen von Krieg, Trauer und Wut empfinden.
Es liegt an uns, diese Dependenzen und unsere eigene Rolle vor diesem Hintergrund zu betrachten. Nicht jedes Zahnrad ist gleich groß und nicht jeder und jede von uns hat die gleichen Möglichkeiten Einfluss auf politische Entscheidungen und Handlungen zu nehmen und etwas zu verändern. Jedoch gehört jeder und jede von uns zu diesem Mechanismus und alle stellen ein „Rädchen“ im gesamten Geschehen dar. Doch sobald ein Zahnrad stockt oder sogar blockiert ist, läuft der gesamte Mechanismus nicht mehr flüssig.
Wir nehmen den heutigen Antikriegstag als Anlass um dazu anzuregen, über diese Abhängigkeiten nachzudenken. Wir alle haben es mit unserem alltäglichen Handeln in der Hand, Frieden zu verbreiten. Der Umgang mit den Menschen, denen wir jeden Tag begegnen – sei es in der Familie, bei der Arbeit oder an der Kasse im Supermarkt – hat viel mehr Wirkung, als wir uns in dem Moment bewusst sind. Dieser Umgang bildet die Basis für eine friedliche und tolerante Gesellschaft und daher muss jede und jeder von uns auch genau an diesem Punkt ansetzen.
Das Friedensdorf ist ein Mahnmal in der globalisierten Welt. Es erinnert uns daran, dass wir alle einen Unterschied machen – denn wir sind ein Zahnrad in diesem Mechanismus.
2 Responses
Maria Sowa
Es gibt heute nur einen Schutz vor einem weltumfassenden Krieg: die Tatsache, dass die Atombombe im Besitz verschiedener Staaten – nicht nur Amerika , Russland und China ist. Löst ein Staat den Abwurf aus, werden die anderen folgen. Die Vernichtung der Lebensgrundlagen werden alle treffen.
Solange die Mächtigen dieser Welt keinen sicheren Zufluchtsort haben, haben wir die Chance, dass das Inferno ausbleibt.
Was wir tun können: Beten.
Birgit Seubert
Vielen Dank für den guten Text, der dem bekannten und vielgenutzten Begriff des Zahnrades im übertragenen Wortsinn wieder eine intensive hochaktuelle Bedeutung gibt. Die Friedensdorf-Kinder sind alle früher oder später gegenläufige Zahnräder – kann Frau Sowa immer wieder nur recht geben: „Das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ (Meister Eckart).
Birgit Seubert