Erstmalig nach Beginn der Corona-Pandemie kommen wieder afghanische Kinder zur medizinischen Versorgung ins Friedensdorf
Am Freitag, den 05.11.21 landete nun der 84. Afghanistan-Hilfseinsatz in Düsseldorf. Ein Friedensdorf-Team hatte am Vortag eine kleine Gruppe an Kindern, deren Behandlung abgeschlossen wurde, zurück zu ihren Familien bringen können. Bei der Rückkehr nach Deutschland waren nun auch endlich wieder 27 neue kleine Patientinnen und Patienten an Bord. Friedensdorf International gehört zu den ersten europäischen Hilfsorganisationen, die seit dem Machtwechsel im August wieder nach Afghanistan fliegen, um Hilfe zu leisten. Der aktuelle Hilfseinsatz war besonders, da das Friedensdorf seit Februar 2020 seine Hilfsflüge nach Afghanistan nicht mehr in vollen Umfang durchführen konnte. Aufgrund der Corona-Pandemie war es nicht möglich, afghanische Kinder aus dem Land zur medizinischen Behandlung ins Friedensdorf zu bringen.
Auf dem Weg nach Afghanistan hat das Flugzeug auch dringend benötigte medizinische Hilfsgüter sowie Winterkleidung und Versorgungsgüter mitgenommen. Der bevorstehende Winter bedeutet für weite Teile der afghanischen Bevölkerung große Not: Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) erwarten, dass rund 23 Millionen Menschen in Afghanistan nicht ausreichend mit Nahrung versorgt sein werden. Die Lebensumstände in Afghanistan haben sich bereits in den letzten Monaten stark verschlechtert: „Unser Partner vor Ort berichtet uns, dass die Lebensmittelpreise gestiegen sind und auch die Löhne nicht mehr wie gewohnt ausgezahlt werden. In Hinblick auf den bevorstehenden Winter, der in Afghanistan besonders kalt wird, sind die über diesen Flug die mitgebrachten Hilfsgüter besonders wichtig“, erzählt Claudia Peppmüller von Friedensdorf International.
In der zweiten Augustwoche war bereits ein Friedensdorf-Team nach Kabul gereist, um dort die Kinder gemeinsam mit der Partnerorganisation auszuwählen, die dringend eine medizinische Behandlung in Deutschland benötigen. Es war geplant, die Kinder am 31. August mit einem Hilfsflug nach Deutschland zu bringen. Aufgrund des unerwarteten schnellen Vormarsches der Taliban war es dem Team nicht mehr möglich wie geplant am 16. August das Land zu verlassen, um die Formalitäten für die ausgewählten Kinder in Deutschland zu regeln. Schlussendlich konnte das dreiköpfige Team mit dem Evakuierungsflug der Bundeswehr zunächst außer Landes und schließlich mit einem Weiterflug nach Deutschland gebracht werden. In der direkten Folge des Machtwechsels in Afghanistan musste der geplante Charterflug auf unbestimmte Zeit verschoben werden. „Wir freuen uns sehr, dass die neuen Machthaber des Landes so schnell grünes Licht zur Fortsetzung unserer Hilfe gegeben haben“, berichtet Friedensdorf-Leiterin Birgit Stifter. Das Friedensdorf ist politisch unabhängig und überkonfessionell, daher konnte die Hilfe bereits in den Jahren 1996 bis 2001 unter einer Taliban-Regierung fortgeführt werden.
Das Friedensdorf führt normalerweise regelmäßig Charterflüge nach Afghanistan durch. Aufgrund der Corona-Pandemie konnten seit Februar 2020 keine Kinder mehr aus dem Land am Hindukusch ins Friedensdorf gebracht werden. „In Afghanistan arbeiten wir mit unserer Partnerorganisation dem Roten Halbmond zusammen. Unsere Partner wissen, dass wir zuverlässig sind und ihre Kinder auch nach Hause bringen. Auf dieser Vertrauensbasis arbeiten wir seit vielen Jahrzehnten erfolgreich zusammen“, beschreibt Birgit Stifter weiter.
Dramatisch war diese Entwicklung besonders für die „wartenden“ Kinder, die zur Behandlung nach Deutschland kommen sollten. Viele der Kinder leiden an einer Knochenentzündung, die unbehandelt zu einer Blutvergiftung und schlussendlich zum Tod führen kann. Manche Kinder haben auch schwere Verbrennungen, die meist schon länger zurückliegen. Die schlecht verheilten Narben schränken nun ihre Bewegungen ein und beeinträchtigen ihre Lebensqualität. „Seit 34 Jahren ist eine Behandlung der beschriebenen Verletzungen nur stark eingeschränkt möglich. Inzwischen spitzt sich die medizinische Versorgung in diesem Land dramatisch zu. Es fehlt an Material und die Ärztinnen und Ärzte in Afghanistan stoßen an ihre Grenzen. Daher freut es uns sehr, dass wir für diese Kinder noch in diesem Jahr eine medizinische Behandlung ermöglichen können“, erklärt Friedensdorf-Leiterin Birgit Stifter. Das dieser Hilfseinsatz besonders ist, wird vor allem nach der Landung in Kabul deutlich: Zwar warten die Partner des Afghanischen Roten Halbmonds bereits wie gewohnt am Rollfeld, eine große Anspannung ist ihnen, aber auch allen anderen Beteiligten deutlich anzumerken. „Wir sind erleichtert über den reibungslosen Ablauf des Hilfseinsatzes. Für alle Beteiligten war diese Situation eine besondere“, berichtet Claudia Peppmüller.
Die Kosten für den Charterflug werden auch diesmal von „Sternstunden e.V.“, der Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks finanziert. Wir bedanken uns auch bei den Oberhausener Verkehrsbetrieben STOAG und dem Düsseldorfer Flughafen für die Unterstützung bei der Durchführung unseres Hilfsflugs, sowie beim DRK und BRK. Auch dem Uni-Klinikum Essen danken wir, für die erneute Auswertung der Corona-Tests der Friedensdorf-Kinder.
Fotos: Jan Jessen, Uli Preuss
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