„So schlimm haben wir die Lage in Afghanistan noch nie erlebt.“
Am 24. März 2022 landete auf dem Düsseldorfer Flughafen ein Flugzeug mit ganz besonderen Passagieren: Es war ein Charterflugzeug des Friedensdorfes mit 89 schwer kranken und verletzten Kindern aus Afghanistan an Bord. Die Mädchen und Jungen waren müde, denn sie hatten bereits eine lange Reise hinter sich. Doch für viele von ihnen war die Reise noch nicht vorbei. Sie wurden in Krankenhäuser im ganzen Bundesgebiet gebracht, um dort die medizinische Versorgung zu erhalten, die in ihrem Heimatland nicht möglich ist. Andere wurden zunächst ins Friedensdorf nach Oberhausen gefahren, bevor sie ebenfalls in Kliniken in ganz Deutschland gebracht werden. Für alle diese Kinder ist das Friedensdorf oftmals die letzte Hoffnung auf ein gesundes Leben. Im Gegenzug konnten am 23. März 2022 19 afghanische Kinder nach ihrer medizinischen Behandlung nach Hause reisen und ihre Familien wieder in die Arme schließen.
Auf dem Rollfeld wurden viele Kinder aus dem Flugzeug getragen, da sie durch ihre Verletzungen nicht laufen können. Einige Helfer trugen gemeinsam eine Trage die Treppe aus dem Flugzeug hinunter – auf ihr lag der 9-jährige Jawid*. Der stark abgemagerte Junge hatte vor einigen Monaten einen Autounfall und seitdem ist sein linkes Bein eine einzige offene Wunde. Ins Krankenhaus konnte Jawid in Afghanistan nicht. Seine Familie konnte ihm nicht einmal mit einfachsten Schmerzmitteln helfen, da die Menschen momentan keinen Zugang zu Medikamenten haben. Hier in Deutschland würde er intensivmedizinisch behandelt werden. In Afghanistan verließen zahllose Ärztinnen und Ärzte im Zuge des Machtwechsels das Land. Die Leidtragenden sind nun die Unschuldigsten: Die Kinder.
Birgit Hellmuth, Claudia Peppmüller und der Journalist Jan Jessen waren im Februar 2022 bereits für knapp zwei Wochen in Afghanistan. Das Friedensdorf-Team hatte dort eine verantwortungsvolle Aufgabe: Sie sichteten gemeinsam mit dem afghanischen Arzt Dr. Marouf die Kinder, die für eine Behandlung in Deutschland in Frage kamen. Dies ist einerseits davon abhängig, ob es Heilungschancen in Deutschland gibt und andererseits, ob es ein Krankenhaus gibt, das eine kostenfreie Behandlung zusichert. Das Friedensdorf-Team hat an wenigen Tagen über 2.200 Kinder gesehen.
Viele Kinder leiden an schwerwiegenden Knochenentzündungen oder an Verbrennungen, oftmals älteren Verletzungen, die vor Ort nicht behandelt werden können. Auch Kinder mit Wunden durch Schüsse, Schrapnellen oder Minenexplosionen wurden dem Friedensdorf-Team vorgestellt. Die grausamen Zustände, in denen Kinder momentan in Afghanistan leben, sind mit Worten schwer zu beschreiben. Vielen Kindern, die dem Friedensdorf-Team von ihren verzweifelten Eltern vorgestellt wurden, war die Not deutlich anzusehen. Sie hatten dünne Arme und Beine, die Kleidung starrte vor Dreck, manche trugen trotz der Kälte nur Socken. „So schlimm haben wir die Lage in Afghanistan noch nie erlebt. So war es noch nicht einmal zu den Zeiten der Mudschaheddin“, fasste Friedensdorf-Mitarbeiterin Birgit Hellmuth, die 1992 zum ersten Mal einen Hilfseinsatz nach Afghanistan begleitete, die Situation im Februar zusammen. Als Birgit Hellmuth und Claudia Peppmüller nun im März 2022 wieder vor Ort waren, um die Mädchen und Jungen für den Flug vorzubereiten, hat sich die Lage weiterhin verschlechtert. „Viele Kinder haben stark an Gewicht verloren. Die Wunden, die noch vor einigen Wochen vom afghanischen Arzt Dr. Marouf gründlich versorgt waren, wurden in der Zwischenzeit teilweise notdürftig mit Kleidungsstücken abgebunden, denn die Eltern können sich Verbandsmaterial oftmals nicht leisten“, berichtete Claudia Peppmüller.
Für 89 Kinder gibt es nun Hoffnung. Sie erhalten in Kliniken, die mit Friedensdorf International kooperieren, eine kostenfreie Behandlung. Die Zeit zwischen den Klinikaufenthalten werden sie in der Oberhausener Heimeinrichtung des Friedensdorfes verbringen, wo bereits rund 100 Kinder aus unterschiedlichen Kriegs- und Krisengebieten auf sie warten. Trotz ihrer verschiedenen Kulturen, Sprachen und Heimatländer haben sie im Friedensdorf das gleiche Ziel: Gesund zu werden.
Eines der Kinder, das ebenfalls mit dem Charterflug nach Deutschland kam, ist Navid*. Der 11-jährige Junge öffnete vor wenigen Monaten einen Koran, der mit einem Sprengsatz versehen war und so wurde der Junge schwer verletzt. Navid hat durch diesen schrecklichen Vorfall seine Hände und sein Augenlicht im linken Auge verloren. Noch immer hat er große offene Wunden. Diese können bald in einem deutschen Klinikum behandelt werden. Navid weiß es jetzt noch nicht, doch auch er wird im Friedensdorf neue Freundinnen und Freunde finden, die ihn auf seinem Weg der Genesung begleiten werden.
Diese wichtige Hilfe ist nur Dank vieler Unterstützerinnen und Unterstützer möglich. Wir danken ganz herzlich dem „Sternstunden e.V.“, der Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks, für die erneute Finanzierung des Charterfluges. Zudem bedanken wir uns bei den Oberhausener Verkehrsbetrieben STOAG, dem Düsseldorfer Flughafen sowie dem DRK und BRK für die tatkräftige Unterstützung. Auch die vielen Kliniken, die sich für die Behandlung eines Friedensdorf-Kindes bereit erklärt haben, und die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer*innen sind für unsere Hilfe unabdingbar – Vielen herzlichen Dank!
*Die Namen der Kinder wurden von der Redaktion geändert.
One Response
Simon Tobias Marner
Vielen vielen Dank
Es gibt keinen anderen Weg das Leiden zu lindern, als durch gelebte Barmherzigkeit.
Ihr seit ein Lichtblick in diesen dunklen Tagen.
Glück Auf mein liebes Friedensdorf