Schwerpunkt: Afghanistan

with Ein Kommentar

Lebensmittel für die hungernde Bevölkerung Afghanistans:

Kindern droht der Hungertod

Es ist der 13. Dezember 2021 in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Auf dem Platz einer Außenstelle des „Afghanischen Roten Halbmondes“ tummeln sich Frauen, Männer und Kinder. Das Friedensdorf verteilt zusammen mit seiner Partnerorganisation Lebensmittel. Jede Familie, die registriert ist, bekommt insgesamt 120 Kilo Nahrungsmittel. Dabei ist unter anderem ein großer Sack Reis, Mehl und nahrhafte Hülsenfrüchte. Die Augen einer Mutter werden weit, als sie die Menge der Lebensmittel erblickt. Damit wird sie ihre zwei Kinder sicherlich mindestens einen Monat ernähren können. Ihre Kinder, die extra zum Tragen mitgekommen sind, fassen mit leuchtenden Augen die Hände ihrer Mutter. Als die Familie schließlich an der Reihe ist, wird eine große Schubkarre mit Lebensmitteln beladen. Die Kinder packen fleißig mit an. Währenddessen beugt sich die Mutter zu einer Friedensdorf-Helferin nach vorne und umarmt sie. „Damit können wir sogar zwei Monate überleben!“, flüstert sie der Mitarbeiterin ins Ohr.

Dies war die erste Lebensmittel-Aktion des Friedensdorfes für die afghanische Bevölkerung. Die Situation im Land ist seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 angespannt und verschlimmert sich von Tag zu Tag. Zum Ende des vergangenen Jahres wurde in den deutschen Medien schon von der größten Hungerkatastrophe Afghanistans berichtet. Seitdem verbessert sich die Situation leider nicht – im Gegenteil. Anfang 2022 ist nach Angaben der WHO über die Hälfte der afghanischen Bevölkerung von akutem Hunger bedroht. Zu dieser Zeit wurde die zweite Lebensmittelaktion mit weiteren 4.000 Paketen in die Wege geleitet. Dieses Mal konnte sogar doppelt so vielen Familien geholfen werden. Die Aussichten für die Zukunft unseres Projektlandes sind besorgniserregend: Die WHO prognostiziert, dass noch in diesem Jahr 97 Prozent der Afghan*innen unter die Armutsgrenze fallen werden.

„Die Menschen in Afghanistan sind nur noch verzweifelt, es geht für die meisten nur noch ums blanke Überleben. Ich habe dort viele Kinder getroffen, dessen Eltern momentan nicht arbeiten können oder für ihre Arbeit nicht entlohnt werden. Sie sind die unschuldigsten Opfer dieser Situation. Wir konnten mit den beiden Lebensmittelverteilungen insgesamt rund 42.000 Menschen helfen, ein Großteil davon sind Kinder“, berichtet Friedensdorf-Mitarbeiterin Claudia Peppmüller, die die erste Verteilung vor Ort begleitete. Nachdem im Dezember die Pakete in der afghanischen Hauptstadt Kabul verteilt wurden, konnte bei der zweiten Verteilung bedürftigen Familien in den Provinzen Laghman, Kapisa, Paktiya und Khost geholfen werden. Der Hunger ist im ganzen Land verbreitet.

Die verteilten Lebensmittel wurden in angrenzenden Nachbarländern sowie in Afghanistan gekauft. Die Pakete wurden gemeinsam mit dem „Afghanischen Roten Halbmond“ auch im Projekt „Marastoon“ verteilt. Hier leben alleinerziehende Frauen mit ihren Kindern. Auch alleinstehende Frauen, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen leben im „Marastoon“-Projekt in Kabul. Sie haben in Afghanistan keine Perspektive, aber das Projekt bietet ihnen Schutz, Geborgenheit und eine Zukunft.

Vor der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 wurden 75 Prozent des afghanischen Haushalts aus dem Ausland finanziert. Dieses Geld fehlt nun. Die Leidtragenden sind mittlerweile nicht mehr allein die ärmste Bevölkerung, die ohnehin seit Jahrzehnten Not erfährt. Der Hunger und die Verzweiflung sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die Lebensmittelpreise steigen ins Unermessliche, sodass sich viele Menschen keine Nahrung mehr leisten können. Der Winter verschärft die Situation, denn auch die Gaspreise sind unbezahlbar. Die Menschen heizen, indem sie alles verbrennen, was sie entbehren können, oft auch Plastik. Die giftigen Gase verteilen sich mit schwarzem Rauch im ganzen Stadtgebiet Kabuls. „Hier tragen die Menschen keine Masken wegen der Corona-Pandemie, sondern, um sich vor dem giftigen Rauch zu schützen“, erklärt Claudia Peppmüller.

„Auch die medizinische Versorgung leidet darunter. Bei der bitteren Kälte kann ein Krankenhaus in Kabul beispielsweise aufgrund der immensen Gaspreise aktuell nicht genutzt werden und aus privaten Kliniken sowie staatlichen Krankenhäusern wird berichtet, dass die Überlebenschancen vieler Kinder, die dort in Behandlung sind, dramatisch gesunken sind. Es fehlt momentan an Medikamenten und medizinischen Materialen, darunter leidet auch die ambulante Versorgung von Kindern“, erzählt die Friedensdorf-Mitarbeiterin weiter. Hier unterstützen zwei Emergency Health Kits, die vom Friedensdorf finanziert wurden. Mit den darin enthaltenen Medikamenten, Verbandsmaterialien und weiteren medizinischen Hilfsgütern können ca. 20.000 Menschen für drei Monate versorgt werden. Wie lange können ein Land und seine Bewohner*innen in dieser Situation überleben? Diese Frage steht aktuell natürlich im Raum. Wir betrachten die Situation mit Sorge und befürchten das Schlimmste für die Zukunft Afghanistans.

Eindrücke unseres Friedensdorf-Teams aus Afghanistan:

Kabul, 12.12.2021

Hallo Deutschland,

im Marastoon leben alleinerziehende Mütter mit ihren Kindern. Viele der Frauen hatten Männer, die beim Militär waren und im Kampf gegen die Taliban gefallen sind. Die Frauen machen im Projekt Näh- oder Computerkurse, um nach drei Jahren außerhalb Beschäftigung und Einkommen zu haben. Bislang wird das Marastoon von dem afghanischen Roten Halbmond mit Einverständnis der neuen Regierung weitergeführt, Chef ist jetzt ein Anhänger der Taliban. Wie so viele andere Menschen in Afghanistan haben die Frauen seit August ihre ohnehin bescheidenen Gehälter nicht mehr bekommen und mussten sich deswegen Geld leihen, um ihre Kinder ernähren zu können. Die Lebensmittel, die von uns finanziert wurden, helfen mehrere Wochen. Die Freude war entsprechend groß.

Euer Friedensdorf-Team

 

Kabul, 14.12.2021

Hallo Deutschland,

gestern haben wir die Lebensmittelverteilung an hunderte bedürftige Familien in einer Außenstelle unseres Partners in Kabul fortgesetzt. Täglich steigen die Preise für Lebensmittel, Benzin oder Gas. "Wir werden alle sterben, wenn keine Hilfe kommt", war die Botschaft vieler Menschen, mit denen wir gesprochen haben. Für sie sind diese Lebensmittel nicht nur ein Zeichen, dass man sie nicht vergessen hat, sondern eine große Hilfe einen Monat lang nicht hungern zu müssen.

Euer Friedensdorf-Team

 

Gardiz, 15.02.2022

Hallo Deutschland,

Lebensmittelverteilung in Gardiz hundert Kilometer südlich von Kabul. Gardiz ist die Hauptstadt der Provinz Paktiya, in der sowohl in den achtziger Jahren wie auch in der Zeit nach 2001 heftige Kämpfe getobt haben. Heute hat der Afghanische Rote Halbmond (ARCS) auf seinem Gelände in Gardiz die Verteilung von Lebensmittelpaketen organisiert, die Friedensdorf International gespendet hat. Auch in den anderen Provinzen, die bei dieser zweiten Lebensmittelverteilung bedacht werden, sind die Pakete mittlerweile angekommen.

Die Verantwortlichen des ARCS können einschätzen, welche Familien die Lebensmittel am dringendsten benötigen und suchten diese im Vorfeld bei Besuchen in den umliegenden Dörfern aus, um sie zu registrieren. Bei der Verteilung wurden die Listen abgeglichen und die Hilfe-Empfänger*innen mussten ihre Fingerabdrücke abgeben. Der ARCS-Verantwortliche für Paktiya und die fünf umliegenden Provinzen erklärt, dass unter den bedürftigen Familien sowohl Taliban waren, als auch Familien, deren Oberhäupter im Kampf gegen die Taliban gefallen seien. Das Verteilungskriterium ist die nachgewiesene Armut.

Bei der Verteilung waren fast ausschließlich Männer anwesend. Auch im Straßenbild von Gardiz sind kaum Frauen zu sehen. Die wenigen, die unterwegs sind, tragen Burka. Die Mitarbeiter unserer Partnerorganisation sagen, dies sei aber auch vor der Regierungsübernahme der Taliban so gewesen. Unser Partner bedankte sich mehrfach für die Hilfe des Friedensdorfes. Er sagt, dass sieben von zehn Menschen in der Region dringend auf Hilfe angewiesen seien. Es gebe viele Witwen, Waisen und Kriegsversehrte, die über kein eigenes Einkommen verfügten.

Euer Friedensdorf-Team

 

One Response

  1. Tobias
    | Antworten

    Danke, Danke und Danke. Es ist der lange Atem des Friedens und der Liebe der Euch leitet. Ich bedanke mich denn alleine mit meinen Spenden bin ich klein. Ihr aber erhebt Euch über die Selbstgefälligkeit und bezeugt die Barmherzigkeit. Danke

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