Gedanken zum Anti-Kriegstag 2022
Seit 1957 wird am 1. September, Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen im Jahr 1939, den Millionen Opfern des ersten und zweiten Weltkrieges gedacht und an die Schrecken von Krieg und Gewalt erinnert. Im vergangenen Jahr, am 1. September 2021, konnte das Friedensdorf an dieser Stelle noch die lange Friedensperiode preisen, die es in Europa seit dem Ende des zweiten Weltkrieges gegeben hat. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Der Frieden in Europa ist massiv gefährdet. Seit Februar gibt es mit der Ukraine nun ein Land mehr auf der Welt, das von einem schrecklichen Krieg heimgesucht wird. Über ein halbes Jahr dauert dieser Krieg bereits an. Laut UN Berichten ist mittlerweile ein Drittel der 44 Millionen Menschen aus der Ukraine geflüchtet. Es gibt tausende Opfer in der zivilen Bevölkerung, zehntausende tote Soldaten. Ein Ende des Blutvergießens ist längst nicht in Sicht. Mit Bestürzung sieht das Friedensdorf dabei zu, wie das globale Wettrüsten im Zuge des Krieges neue Ausmaße annimmt. Auch die deutsche Bundeswehr soll mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro neu aufgestellt werden. Sanktionen folgen auf Sanktionen, Drohungen auf Drohungen. Der Wunsch nach Frieden scheint mehr und mehr in weite Ferne zu rücken.
Was Krieg und Gewalt mit und aus Menschen macht, erlebt das Friedensdorf seit seiner Gründung vor 55 Jahren. In der Obhut der Hilfsorganisation leben seit 1967 die unschuldigsten und jüngsten Opfer von kriegerischen Auseinandersetzungen und deren weitreichenden Folgen. Von Krieg, Krise und Gewalt zeugen die teils schweren Verletzungen der Kinder. Viele der Mädchen und Jungen entspringen Generationen, die Frieden in ihrer Heimat nie kennengelernt haben. In Afghanistan beispielsweise hat die Bevölkerung über 40 Jahre unter kriegerischen Auseinandersetzungen gelitten. Und auch in Gambia, Kirgistan oder Tadschikistan sitzen die Spuren der vergangenen Bürgerkriege tief.
Erst vor zwei Wochen hat ein Friedensdorf-Team auf einer Einsatzreise in Herat, Afghanistan, dem schrecklichen Gesicht des Krieges ins Auge geblickt. In der landesweit größten Einrichtung für psychisch kranke Menschen sind es vor allem ehemalige Soldaten, die, bis zur Unkenntlichkeit gezeichnet von Krieg und Gewalt, alleine mit ihrem Trauma verbringen müssen. Sie sitzen auf nackten Fliesen, stehen an vergitterten Fenstern. Sie scheinen keinen Besuch zu erhalten. Von ihrem Trauma kann sie in Afghanistan niemand befreien. Dazu fehlen Ärzte, Pflegepersonal und auch das Geld.
Heute sind unsere Gedanken ganz besonders bei den Millionen Menschen weltweit, die Opfer von Krieg und Gewalt waren oder es noch immer sind. Besonders für die Kinder unserer Nationen ist die augenblickliche Entwicklung ein schwerer Schlag. Die Hoffnung des Friedensdorf war und ist es, dass Kinder weltweit ohne Kriege und Krisen aufwachsen können. An dieser Hoffnung gilt es heute besonders festzuhalten. Das Friedensdorf appelliert an die Verantwortung eines Jeden, für die von Gewalt betroffenen Menschen einzustehen und dort zu helfen, wo Hilfe notwendig ist.
Fotos: André Hirtz/ FUNKE Foto Services
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