Eindrücke unseres Teams aus Afghanistan

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Foto: André Hirtz

Seit 6. November 2022 befindet sich ein Friedensdorf-Team in Afghanistan, um eine Gruppe von Kindern vorzubereiten, die am 10. November mit einem Hilfsflug zu einer medizinischen Behandlung nach Deutschland gebracht werden.

In dem folgenden Blog schildert unser Team um Friedensdorf-Mitarbeiterinnen Birgit Hellmuth und Claudia Peppmüller sowie den Journalisten Jan Jessen seine Eindrücke vor Ort.

 

Kabul, 6. November 2022

In den frühen Morgenstunden sind wir in Kabul gelandet, um 54 verletzte und kranke Kinder auf ihre bevorstehende Reise nach Deutschland vorzubereiten. Eine berührende Überraschung erwartete uns bereits wenige Stunden nach der Ankunft.

Wiedersehen nach 25 Jahren. Latifa kam mit zehn Jahren ins Friedensdorf International. Sie war damals ein Skelett und wog nur noch neun Kilo. Ihre Speiseröhre war verätzt, sie hatte Batteriesäure getrunken. Nach einem Jahr Behandlung konnte sie 1997 zurück nach Afghanistan. Dort hatten mittlerweile die Taliban die Macht übernommen. Latifas Vater hatte als Koch für einen Warlord gearbeitet, die Taliban nahmen ihn fest und misshandelten ihn. Daraufhin floh die Familie nach Pakistan. Latifa schmiss mit elf Jahren den Haushalt, weil die Mutter herzkrank war. Ihre beiden jüngeren Brüder arbeiteten als Tagelöhner. 2001 kehrte die Familie nach Afghanistan zurück. Latifa heiratete und schenkte fünf Kindern, vier Mädchen und einem Jungen das Leben. Jetzt sind die Taliban wieder an der Macht. Einer von Latifas jüngeren Brüdern ist von ihnen erschossen worden. Sie aber lebt. Es ist wie ein Wunder. Beim Wiedersehen mit Birgit Hellmuth und Claudia Peppmüller vom Friedensdorf flossen Tränen.

[Text und Foto: Jan Jessen]

Kabul, 7. November 2022

Gestern war ein ganz besonderer Tag für die Schüler und Schülerinnen der Bayat Mashal Schule in Kabul. Hier werden Kinder von der 1. bis zur 12. Klasse unterrichtet. Im August haben wir die Schule erstmals mit unserer Partnerorganisation besucht. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage im Land fehlt es an allem, vom Schulheft bis zum Computer. Dank eines Spenders, der anonym bleiben möchte, konnten nun viele Wünsche erfüllt werden. Wir konnten 20 Laptops und einen großen Drucker anschaffen, und für fast 1000 Kinder jeweils eine Tasche prall gefüllt mit Schulmaterialien kaufen. Die Kinder haben sich sehr gefreut, dem einen oder der anderen kam auch ein schüchternes "Thank you" über die Lippen.

Kabul, 8. November 2022

So langsam naht der Abschied. Doch bevor die 54 verletzten und kranken Kinder am Donnerstag Vormittag zur medizinischen Behandlung nach Deutschland fliegen, waren heute wichtige Vorbereitungen, wie z.B. ein PCR-Test oder das Erlernen der Zeichensprache, notwendig. Auch wurde jedes Kind noch einmal ärztlich untersucht und mit neuen Verbänden versorgt. Ein Vater, dessen Tochter eine Knochenentzündung hat, zeigte uns das Stück Knochen, welches sie vor zwei Monaten verloren hat. Bei einem kleinen Jungen lösten sich während des Verbandswechsels zwei Knochenstücke, von denen eines eine Länge von ca. 10 cm hatte. Weder diese beiden Kinder noch die anderen 52 Kinder haben geweint und tapfer ihre Schmerzen weggelächelt.
Seit 1988 kooperien wir mit dem Afghanischen Roten Halbmond. Erstmals hat heute ein Präsident, Mawlawi Matiul Haq Khales, zu den Familien gesprochen. Er hat sich für die Kooperation bedankt und betont, dass der ARCS alles tun würde, um unsere Arbeit zu unterstützen.

Kabul, 9. November 2022

Wir werden ein weiteres Mal Lebensmittel über unsere Partnerorganisation, dem ARCS, an 2000 bedürftige Familien verteilen. Die Not ist groß. Bereits im Sommer haben uns die Menschen von ihrer Angst, den Winter nicht zu überleben, berichtet: "Ich bin froh, dass ich noch 20 Dollar im Monat verdiene. Viele haben keine Arbeit mehr", erzählte Mahmood, der Vater eines Kindes, das mit uns nach Deutschland fliegen wird. Bei den hiesigen Lebensmittelpreisen ist für seine 6-köpfige Familie an eine tägliche warme - geschweige denn ausgewogene Ernährung - nicht zu denken. Inzwischen sind 90 % der Bevölkerung von Mangelernährung bedroht!
Heute haben wir beim Packen der Lebensmittel dabei sein dürfen. Nebenbei: Die Aktion verschafft 25 Menschen zumindest für einige Arbeit und Einkommen. Ab morgen werden die fertigen Pakete in die Provinzen Nangarhar, Zabul, Kapisa und an den Rand der Hauptstadt Kabul geliefert.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Ihr diese Hilfsaktion unterstützt.

Kabul, 10. November 2022

Pünktlich sind 69 genesene Kinder in Kabul gelandet. 54 verletzte und kranke Kinder haben sich am frühen Morgen auf den Weg nach Düsseldorf gemacht.

Kabul, 10. November 2022

Es sind nicht nur beim Abschied der verletzten Kinder viele Tränen geflossen, sondern auch beim Wiedersehen der 69 genesenen Kinder mit ihren Familien. Endlich Zuhause!

 

Jalalabad, 11. November 2022

Heute sind wir in die Provinzhauptstadt Nangarhars nach Jalalabad gefahren. Die 500 Lebensmittelpakete, die für diese Provinz vorgesehen sind, werden ab dem Wochenende über unsere Partnerorganisation an bedürftige Familien verteilt. Wie groß die Not ist, hat uns das Wiedersehen und die Übergabe der medizinischen Hilfsgüter im Marastoon Jalalabad, eines von fünf Projekten des ARCS im Land, gezeigt. Im August hatten wir dieses Projekt, in dem Alleinerziehende und Waisenkinder leben, angeschaut und entschieden, neben dem von uns finanzierten Brunnen, weitere Hilfe zu leisten. Schon damals waren die Kinder sehr dünn. Heute hatten wir den Eindruck, dass sie in der Zwischenzeit noch mehr an Gewicht verloren haben. Daher sind wir froh, dass die Lebensmittelpakete auch hier verteilt werden. Eine Freude konnten wir den Kindern heute schon bereiten: Sie haben sich über den vollgepackten Schulrucksack gefreut!

Kabul, 12. November 2022

Wir sind froh, dass die erste Verteilung der Lebensmittelpakete abgeschlossen ist. Über die Außenstelle unserer Partnerorganisation, dem Afghanischen Roten Halbmond, haben 500 bedürftige Familien sich sehr über die Pakete gefreut.

 

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