Dr. Akiko Möller-Horigome mit einem Origami-Kranich, der in Japan ein Symbol für den Frieden ist.
Dr. Akiko Möller-Horigome – Nordkirchen
Wie kamen Sie ins Friedensdorf?
Durch meinen Mann, der als Radiologe arbeitet. Er befundet manchmal radiologische Bilder, wie Röntgen oder MRT, von Friedensdorf-Kindern, damit der behandelnde Unfallchirurg weitere Therapievorgänge planen kann. Er hat mir zuhause oft erzählt, dass er sehr schockiert sei, wie schwer die Kinder verletzt sind.
Seitdem habe ich immer öfter an das Friedensdorf gedacht und mich schließlich entschlossen, an dem Einführungsseminar für ehrenamtliche Helfer*innen teilzunehmen, um das Friedensdorf näher kennenzulernen.
Vor der Seminarteilnahme wusste ich nicht, wie ich überhaupt im Friedensdorf mitwirken könnte. Im Seminar wurde mir das Friedensdorf dann sehr ausführlich vorgestellt. Vor allem durch die gute Betreuung durch die Friedensdorf-Mitarbeiter*innen und erfahrenen Ehrenamtler*innen wurde ich dann Stück für Stück behutsam in die anfallenden Aufgaben eingeführt. Nun betreue ich ehrenamtlich Kinder im Reha-Bereich und im Krankenhaus.
Was ist Ihre Motivation für ein Ehrenamt im Friedensdorf?
Kinder haben das Recht, einfach Kinder zu sein. Und ich stelle immer wieder fest, im Friedensdorf können sie das sein: wenn sie trotz ihrer Handicaps im Dorf spielen, ohne Angst haben zu müssen, herumtollen können und einfach fröhlich sind.
Häufig werde ich von ihrer starken Persönlichkeit und Liebenswürdigkeit einfach wunderbar überrascht. Zum Beispiel wenn ein Kind bei einer schmerzhaften Behandlung ganz stark sein muss und trotzdem tapfer mitmacht und uns dann nach überstandener Prozedur mit stolzem Gesicht anlächelt. Oder wenn die Kinder sich bei allzu großem Heimweh gegenseitig trösten. Ich finde es auch immer wieder berührend, wie hilfsbereit die Kinder sind: Zum Beispiel helfen sie mir trotz ihrer Einschränkungen beim Aufräumen des Behandlungszimmers. Es gibt immer wieder solche und viele weitere kleine Momente. Wenn ich mit den Friedensdorf-Kindern Zeit verbringen kann, geht mir einfach das Herz auf. Diese Zeit ist ein herzerwärmendes „Geschenk“ und meine Motivation.
Welche Momente haben Sie besonders berührt?
Ich habe einen 9-jährigen afghanischen Jungen betreut, der auf einer unfallchirurgischen Station behandelt wurde. Er hatte bereits für drei Monate im Friedensdorf gewohnt und sich dort sehr gut eingelebt. Außerdem konnte er bereits sehr gut Deutsch. Dann aber musste der Junge zur Behandlung ins Krankenhaus. Dort hat er große Angst bekommen – wahrscheinlich, weil plötzlich nur fremde Erwachsene um ihn herum waren. Der Junge hat kaum noch gesprochen und wir waren vor allem besorgt, dass er im Krankenhaus kaum essen wollte. Ihm fehlten vertraute Bezugspersonen und natürlich auch die Friedensdorf-Kinder, mit denen er sich in seiner Muttersprache unterhalten konnte. Noch dazu kamen mehrere Operationen.
Nach einem Gespräch mit Friedensdorf-Mitarbeiter*innen habe ich ihm ein Buch in seiner Muttersprache Dari mitgebracht. Beim Anblick der vertrauten Schrift war der Junge vom ersten Moment wie gefesselt und starrte das Buch mit strahlenden Augen an. Er bemühte sich sehr, die Wörter zu entziffern, aber wahrscheinlich hatte er schon länger keine Schule besuchen können. Für mich war das sehr bewegend. In Deutschland besuchen Kinder selbstverständlich die Schule, lernen dort lesen, wodurch ihnen die Welt eröffnet wird. Für den Jungen war das überhaupt keine Selbstverständlichkeit – er freute sich sehr über das Buch und erklärte mir stolz Dari-Vokabeln. Es war das erste Mal, dass er so viel erzählte. Dann kam das Mittagessen, und ich hatte schon innerlich aufgegeben, dass er das Essen anrühren würde. Doch an dem Tag hat er, mir einen stolzen Blick zuwerfend, wieder zu essen angefangen! Dies hat mich sehr berührt, und er war voller Dankbarkeit für unsere Unterstützung. Das Lächeln werde ich niemals vergessen.
Was wünschen Sie dem Friedensdorf für die Zukunft?
Ich bewundere die Kinder, die in ihrer Kindheit bereits für uns unvorstellbare Schicksale erlebt haben und trotz allem entschlossen sind, wieder gesund zu werden. Das Friedensdorf heilt nicht nur ihre Krankheiten oder Verletzungen, sondern erfüllt auch die Aufgabe, ein Licht der Hoffnung anzuzünden und dies weiter zu geben. Ich hoffe sehr, dass dieses Licht der Hoffnung niemals erlischt, auch wenn das Licht manchmal nur sehr klein leuchtet. Ich wünsche mir sehr, dass noch vielen kranken und verletzten Kindern geholfen werden kann und die Kinder nach ihrer Genesung diese Hoffnung in ihre Heimatländer tragen können.
Weiterhin wünsche ich dem Friedensdorf, dass es ein Ort bleibt, an dem wir alle lernen können, ohne Vorurteile miteinander umzugehen, uns den Wert des Friedens bewusst zu machen und zu erkennen, dass Frieden niemals eine Selbstverständlichkeit ist.