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Klinik auf vier Rädern für Aghanistan

Am Grenzübergang Islam Qala ist an diesem Mittag nicht viel los, die afghanischen Rückkehrer werden noch auf der iranischen Seite registriert. Claudia Peppmüller hat gerade mit einigen Helfern des Afghanischen Roten Halbmonds zu Mittag gegessen, es gab Reis und Bohnen, sie haben auf dem Boden gesessen. Plötzlich ruft einer der Männer aufgeregt: „Er kommt, er kommt.“ Kurz darauf rollt ein weißer Lastwagen auf das staubige Gelände, an den Seiten blaue und rote Warnlampen und das Logo des Friedensdorfs International aus Oberhausen. Peppmüller klatscht in die Hände: „Ich freu mich sowas von!“ 

Schweres Erdbeben

Die erste mobile Klinik in Afghanistan ist angekommen – finanziert mit Spenden aus Deutschland.
Als Ende August ein schweres Erdbeben den Osten Afghanistans erschütterte, waren Mitarbeiter des Friedensdorfes vor Ort. Sie wurden Zeugen, wie in den entlegenen Dörfern in der Provinz Kunar, die von dem Beben zerstört worden waren, direkt nach der Katastrophe Chaos herrschte, aber auch, wie zahlreiche Freiwillige anpackten, um zu helfen, wie Feldlazarette aufgebaut wurden. Die Mobile Klinik, die an diesem sonnigen Oktobertag über die iranische Grenze nach Afghanistan rollt, soll künftig bei solchen Naturdesastern eingesetzt werden. „Das wird den Ärmsten und Verletzlichsten in den betroffenen Gebieten helfen“, sagt Doktor Noorullah Ferozi, der mit einem Fahrer und einem Pfleger an Bord des Fahrzeugs ist.

Hunderte Menschen gestorben

Die Gewalt der Natur sucht Afghanistan immer wieder heim. Erdbeben erschüttern das Land regelmäßig, im Oktober 2023 starben in Herat, der Region, in der auch der Grenzübergang zum Iran ist, fast 1400 Menschen, beim Beben in Kunar im August gab es mehr als 2200 Tote. Andere Gebiete wie Baghlan nördlich der Hauptstadt Kabul wurden im vergangenen Jahr bei verheerenden Fluten überschwemmt, auch dabei starben Hunderte Menschen.
Das Friedensdorf arbeitet seit beinahe vierzig Jahren in Afghanistan. Die Helfer holen verletzte und kranke Kinder aus dem Land am Hindukusch zur Behandlung nach Deutschland. In den vergangenen Jahren haben sie aber zusätzlich begonnen, Projekte in Afghanistan umzusetzen. Sie haben Brunnen gebohrt, eine Schule saniert, Lebensmittel und Medikamente verteilt, bedürftige Familien nach Flutkatastrophen mit Hühnern ausgestattet, um ihnen einen Neustart zu ermöglichen. „Die wirtschaftliche Lage in Afghanistan ist sehr schwierig. Wir wollen Perspektiven schaffen“, sagt Claudia Peppmüller. Sie ist die Sprecherin der Organisation.


Die Mobile Klinik ist ein neues Projekt. Sie ist voll ausgestattet, mit einem Behandlungsbereich samt Liege, Sauerstoff, einem Kühlschrank für Medikamente, einer Babywaage, um den Ernährungszustand von Kleinkindern überprüfen zu können. „Es ist wie eine fahrende Gesundheitsstation. Wir sind sehr dankbar dafür“, sagt Doktor Ferozi.
Eingesetzt werden soll sie auch in der Provinz, in den schwer zugänglichen Regionen, in denen Menschen oft stundenlang unterwegs sein müssen, ehe sie kleine Kliniken erreichen. Das Gesundheitssystem in Afghanistan ist seit dem Rückzug vieler internationaler Hilfsorganisationen nach der erneuten Machtübernahme der Taliban und seit der Zerschlagung der US-Entwicklungsagentur USAID noch angeschlagener, als es das ohnehin schon war.

Das Fahrzeug hat eine lange Reise hinter sich. Gebaut worden ist es bei Spezialisten in Dubai, von dort aus ging es mit dem Schiff in die iranische Hafenstadt Bandar Abbas, dann auf einem Tieflader quer durch den Iran bis zur afghanischen Grenze. Gute 3400 Kilometer sind das. 

Erste Patienten sind gekommen

Am Grenzübergang kann Doktor Ferozi die ersten Patienten untersuchen. Es sind Kinder, die an diesem Tag mit ihren Familien aus dem Iran gekommen sind. Das Mullahregime hat im Sommer begonnen, afghanische Flüchtlinge, die teils seit vielen Jahrzehnten im Land lebten, in die alte Heimat zu deportieren. 1,5 Millionen sollen bereits zurückgeschickt worden sein. Auch das Nachbarland Pakistan schiebt unbarmherzig afghanische Flüchtlinge ab. 2,5 Millionen sollen es bislang sein. „Das stellt dieses ohnehin gebeutelte Land vor noch größere Herausforderungen“, sagt Peppmüller. Sie unterhält sich mit einigen der Flüchtlinge. Aufgeregt erzählen sie ihr, dass iranische Polizisten rabiat gegen sie vorgegangen seien, dass sie bis auf wenige Habseligkeiten nichts mitnehmen durften, dass sie alles verloren haben, was sie sich aufgebaut hatten. „So viele menschliche Tragödien“, seufzt die Friedensdorf-Sprecherin. Sie weiß: Die Mobile Klinik ist ein Tropfen auf den heißen Stein. „Aber sie wird vielen Menschen helfen.“

Viele der Kinder, die in diesen Tagen aus dem Iran nach Afghanistan kommen, leiden unter Unterernährung, unter Flüssigkeitsmangel, unter Infektionskrankheiten. Doktor Farouzi und ein anderer Arzt des Afghanischen Roten Halbmondes untersuchen die kleinen Patienten, stellen Rezepte aus, schicken die Eltern mit den Kindern zur Apotheke ein paar Meter weiter, die in einem Container untergebracht ist. „Wir werden die Klinik in den kommenden Wochen vollständig mit allen Medikamenten ausstatten, die nötig sind“, sagt Peppmüller. Heute wird Farouzi mit seinem Team noch weiter in die Hauptstadt Kabul fahren. Es wird eine Reise von zwei Tagen werden. Peppmüller klopft auf das Blech. „Glück auf! Gute Fahrt!“ (Text: Jan Jessen)

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