Das Fazit: Afghanistan braucht dringend Hilfe
Noch während der Dienstreise nach Afghanistan startete in Oberhausen eine Mitmachaktion für notleidende Kinder und ihre Familien in Afghanistan: Zahnbürsten, Zahnpasta, Seif – elementare Hygieneprodukte werden mithilfe der Bevölkerung noch bis zum 15. Oktober gesammelt und an der Dinslakener Zentralstelle entgegengenommen. Bei der Aktion geht es um Hygiene, darum Infektionskrankheiten vorzubeugen, aber es geht auch um Menschenwürde. Wie dramatisch die Situation der Menschen und besonders der Kinder in Afghanistan ist, zeigte sich während der Dienstreise zwischen Ende August und Anfang September.
Zwei Wochen lang war ein Team von Friedensdorf International in Afghanistan im Einsatz. Was die Helferinnen und Helfer erlebten, macht sprachlos: „Die Not der Kinder in Afghanistan ist kaum auszuhalten,“ sagt Friedensdorf-Sprecherin Claudia Peppmüller, die die Dienstreise begleitet hat. Mehr als 2.000 Familien brachten ihre kranken oder verletzten Kinder zur Kindervorstellung bei der Partnerorganisation Afghanischer Roter Halbmond. Viele dieser Kinder haben bereits monatelang krank im Elternhaus gelegen – ohne Antibiotika, ohne Schmerzmittel, oftmals ohne jegliche medizinische Unterstützung. Für die Familien bedeutet das einen kaum zu bewältigenden Pflegeaufwand: In den schlichten Unterkünften, in denen Toiletten meist außerhalb liegen, fehlt es an allem – an Verbandsmaterial, an Medikamenten, an fachlicher Hilfe. Mütter und Väter sind gezwungen, hilflos mitanzusehen, wie ihre Kinder leiden, ohne ihnen wirksam helfen zu können.


Stärke der Kinder ist beeindruckend und traurig zugleich
„Wir wundern uns immer wieder, was diese kleinen Menschen ertragen können. Sie leiden, ja – aber sie weinen nicht. Es wirkt fast so, als hätten sie gelernt, mit ihren Schmerzen zu leben,“ zeigt sich die langjährige Friedensdorf-Mitarbeiterin Birgit Hellmuth berührt und erschüttert. Viele Kinder zeigen sich in einer bemerkenswerten Stärke. „Wenn sie uns begegnen, nehmen sie selbst ihre Verbände ab, um den begleitenden Ärzten, Dr. Ralf Stein-Perschke und Dr. Marouf, ihre Wunden zu zeigen.“ Dr. Marouf unterstützt das Friedensdorf bereits seit 1988 ehrenamtlich vor Ort bei der Auswahl der Kinder. Die kleinen Patienten wissen oft genau, ab wann es besonders weh tut – und helfen bei der Untersuchung so gut sie können.
Zu wenige Freibehandlungen in Deutschland
In den ersten vier Tagen arbeiteten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Friedensdorfes rund um die Uhr. „Allein für Deutschland hätten wir mehr als 76 Kinder aufnehmen können – doch die fehlenden Kapazitäten in deutschen Kliniken lassen dies nicht mehr zu,“ berichtet Claudia Peppmüller. Stattdessen wurden knapp 180 Kinder für Operationen in Kabul ausgewählt. Diese Eingriffe finanziert das Friedensdorf aus Spendengeldern – eine Maßnahme, die erstmals auch Kindern mit angeborenen urologischen Erkrankungen zugutekommt.
Trotz dieser wichtigen Schritte bleiben die Grenzen der medizinischen Möglichkeiten vor Ort spürbar. Komplexe Operationen, etwa bei schweren Knochenentzündungen oder die Behandlung mit einem Fixateur zur Stabilisierung und Verlängerung von Knochen, sind in Afghanistan nicht möglich. Zum einen fehlt es an der nötigen chirurgischen Ausstattung, zum anderen könnten Eltern die aufwendige Nachsorge in ihren Lebensumständen – oft in einfachen Lehmhäusern, ohne hygienische Bedingungen und medizinische Unterstützung – nicht leisten. Hier bleibt nur die Behandlung in Deutschland. „Es ist schwer zu ertragen, wenn man weiß, wie vielen Kindern man helfen könnte und dann an Grenzen stößt,“ zeigt sich Claudia Peppmüller betroffen.
Mehr als eine Million aus dem Iran nach Afghanistan geflüchtet
Auch außerhalb der Kliniken ist die Not sichtbar. In Herat, nahe der Grenze zum Iran, musste das Team mit ansehen, wie Rückkehrerfamilien mit kaum mehr als einem Koffer in ihre Heimat zurückkehren – in ein Land, in dem selbst eine Basisgesundheitsstation 50.000 Menschen versorgen muss. „Die Ärztinnen und Ärzte sind hervorragend ausgebildet, aber sie kämpfen jeden Tag ohne ausreichend Medikamente, Verbandsmaterial oder medizinische Geräte. Sie könnten so viel mehr retten, wenn sie nur die Mittel hätten,“ berichtet das Team. Über die Partnerorganisation erfuhr das Team auch, dass nur noch die wenigsten Mütter in der Lage sind, ihre Kinder (ausreichend) zu stillen. Damit sind Mangelernährung und ein geschwächtes Immunsystem quasi vorprogrammiert. Eine Einladung für Bakterien und Viren, die den kleinen Körpern zusetzen und schnell lebensbedrohlich werden. Während des Aufenthaltes haben die Friedensdorf-Mitarbeiterinnen und die Partner des Afghanischen Roten Halbmondes neben Medikamenten deswegen auch Lebensmittel verteilt.


Nachhaltige Hilfe durch mobile Klinik
Für die Zukunft setzt Friedensdorf International auf nachhaltige Hilfe: In wenigen Wochen wird die mobile Klinik, die das Friedensdorf in Auftrag gegeben hat, an den Afghanischen Roten Halbmond übergeben. Sie ist der richtige Schritt, um die medizinische Versorgung im Land zu verbessern. Das Friedensdorf finanziert die notwendigen Medikamente, während der Rote Halbmond Ärztinnen und Ärzte stellt. So kann das Fahrzeug nicht nur in Katastrophengebieten – etwa nach Erdbeben oder Überschwemmungen – schnelle Hilfe leisten, sondern auch regelmäßig Dörfer erreichen, in denen Basisgesundheitsstationen geschlossen wurden. Damit erhalten Kinder, die sonst ohne Versorgung blieben, Zugang zu Untersuchungen, Medikamenten und ärztlicher Betreuung.
Spendenhinweis:
Friedensdorf International finanziert die Operationen in Kabul ausschließlich durch Spenden. Jeder Beitrag kann einem Kind die Chance auf ein gesundes Leben schenken.
Friedensdorf International
IBAN: DE59 3655 0000 0000 1024 00
BIC: WELADED1OBH
Stichwort: Afghanistan
Einen Podcast von Jan Jessen zum Erdbeben in Afghanistan ist hier zu finden: Im Krisenmodus