Stefanie Thiess und Frederick Gessner – Ulm
Wie kamen Sie ins Friedensdorf?
Stefanie Thiess und Frederick Gessner: Es war kurz nach unserem Physikum, dem ersten Abschnitt unseres Medizinstudiums und das folgende Semester war endlich etwas entspannter. Mit der neu gewonnen Freizeit wollten wir etwas Sinnvolles machen und schauten nach einem Ehrenamt im Raum Ulm. Wir suchten damals schon konkret etwas, das mit Kinderbetreuung zu tun hatte und im Internet fanden wir eine Anzeige von Helge Herbert, dem damaligen Ansprechpartner des Freundeskreises Ulm. Keine 24 Stunden nachdem wir Helge eine E-Mail geschrieben hatten, verabredeten wir uns zu einem Treffen und Helge zeigte uns Bilder und Videos. Er erklärte uns die Arbeit des Friedensdorfes und wir waren sofort hellauf begeistert. Seit diesem Tag sind wir mit Herzblut zusammen mit den anderen Mitglieder*innen des Freundeskreises Ulm ehrenamtlich für Friedensdorf International aktiv.
Was ist Ihre Motivation für ein Ehrenamt im Friedensdorf?
Stefanie Thiess und Frederick Gessner: Das Friedensdorf leistet einfach wahnsinnig wichtige und tolle Arbeit. Den betroffenen Kindern wird die Chance auf Gesundheit geboten, welche sie in den Heimatländern nicht haben. Es ist schön Teil dieser Arbeit zu sein, sei es durch Infostände in der Innenstadt oder die Betreuung der Kinder in der Ulmer Klinik. Gerade auch als junge*r Mediziner*in ist es spannend, die Fälle aus medizinischer Perspektive mitzuerleben. Viele Erkrankungen der Friedensdorf-Kinder sind in Deutschland eine Rarität, weil die medizinischen Standards ganz andere als in den Einsatzländern sind. Aber vor allem sind es die wundervollen Momente, die man mit den Kindern erlebt. Erich Kästner schrieb einmal: „Die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut. Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt. Früher waren sie Kinder, dann wurden sie Erwachsene, aber was sind sie nun? Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.” Als der kleine Osvaldo aus Angola vor kurzem erneut in der Ulmer Uni-Klinik behandelt wurde, besuchten wir ihn natürlich. Wir haben gemeinsam Seifenblasen hinterhergejagt und waren in diesem Moment nur zwei Kinder, vereint in Unbeschwertheit und Heiterkeit. Solche Erlebnisse machen dieses Ehrenamt zu etwas ganz Besonderem und sind durch nichts zu ersetzen.
Welche Momente haben Sie besonders berührt?
Stefanie Thiess und Frederick Gessner: In den wenigen Jahren, die wir jetzt ehrenamtlich für das Friedensdorf aktiv sind, gab es doch schon eine ganze Menge Momente. Da fällt es schwer einen speziellen Moment auszuwählen. Beispielsweise, wenn die Kinder nach ihrem Krankenhausaufenthalt zur weiteren Rehabilitation wieder ins Friedensdorf zurückkehren. In der Zeit während wir die Kinder betreuen, hat man sie natürlich ins Herz geschlossen und der Abschied fällt einem schwer. Auf der anderen Seite freut man sich natürlich auch riesig für die Kinder. Immerhin bedeutet das meistens einen großen Fortschritt im Genesungsprozess und manchmal heißt es sogar, dass kurze Zeit später die Rückkehr in das Heimatland ansteht. Es sind diese und viele weitere Momente, die das Ehrenamt einzigartig machen: Das Daumendrücken während der Operationen, das gemeinsame Spielen bei Besuchen im Krankenhaus, aber auch das lachende und weinende Auge, wenn man sich verabschieden muss. Diese vielen Momente sind unbezahlbar und bleiben als Erinnerung abgespeichert in unseren Herzen. Genau wie die Kinder, die diese Momente so besonders gemacht haben.
Was wünschen Sie dem Friedensdorf für die Zukunft?
Stefanie Thiess und Frederick Gessner: Weiterhin viele engagierte freiwillige Helfer*innen, Sicherheit für Mitarbeiter*innen und Partnerorganisationen sowie Erfolg bei dieser wichtigen Arbeit.
Der Freundeskreis Ulm im Dezember 2019: Helge Herbert (mit Schild in der Mitte) übergibt die Koordination des Freundeskreises an Stefanie Thiess und Frederick Gessner.