Manche Wege beginnen mit einem Wunsch. Bei Dr. Yukihisa Yagura war es der Wunsch, Kindern zu helfen.
Der Japaner hat in seiner Heimat Orthopädie studiert – ein Fachgebiet, das sich häufig mit Erkrankungen älterer Menschen befasst. Doch schon früh spürte Dr. Yagura, dass ihn ein anderer Gedanke nicht losließ. Sein fachlicher Blick galt immer wieder den Kindern. Denjenigen, deren Körper viel zu früh von Krankheit, Verletzung oder Krieg gezeichnet sind. Kindern, für die medizinische Hilfe nicht nur Heilung bedeutet, sondern die Chance auf ein Leben mit Würde, Bewegung und Selbstvertrauen.
Das Friedensdorf war ihm zu diesem Zeitpunkt längst vertraut. In Japan ist die Arbeit der Organisation seit vielen Jahren bekannt und hoch angesehen. Als Dr. Yagura während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland reiste, nutzte er seinen Aufenthalt in Essen, um das nahegelegene Friedensdorf in Oberhausen persönlich kennenzulernen. Taeko Erwig aus der Japan-Abteilung führte ihn durch das Dorf, besuchte ihm die Kinder, erläuterte die medizinische Arbeit – und die oft schwierigen Bedingungen in den Krankenhäusern der Herkunftsländer.
Dieser Rundgang ließ ihn nicht mehr los.
Er wurde zu einem Versprechen, einem Versprechen an sich selbst.
Seit 2007 hält Dr. Yagura dieses Versprechen. Zweimal im Jahr reist er seither – auf eigene Kosten und in seiner Freizeit – nach Deutschland, um Kinder aus Angola und Afghanistan medizinisch zu begleiten. Jeder Einsatz dauert rund zehn Tage. Zehn Tage, die intensiv sind, körperlich fordernd und emotional bewegend. Zehn Tage, in denen aus Fachwissen Menschlichkeit wird.
Besonders bei den Ankünften der Kinder ist Dr. Yagura präsent. Wenn erschöpfte, verunsicherte Kinder nach oft langen und schmerzhaften Wegen im Friedensdorf ankommen, ist seine ruhige, konzentrierte Art ein Anker. Er begleitet die Eingangsuntersuchungen, erstellt orthopädische Einschätzungen, stimmt Behandlungspläne mit den Ärztinnen und Ärzten ab, ist bei Verbandswechseln dabei. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Behandlung von Knochenentzündungen – ein sensibles Feld, das Erfahrung, Geduld und einen klaren Blick erfordert.
Doch was Dr. Yagura antreibt, ist mehr als medizinische Präzision. Es ist die Überzeugung, dass jedes Kind das Recht auf Bewegung hat. Auf Spielen. Auf Laufen. Auf ein Aufwachsen auf Augenhöhe mit anderen Kindern. Hier kann er das leben, wovon er lange geträumt hat: Orthopädie für junge Menschen – und die Möglichkeit, mit seiner Arbeit Lebenswege zu verändern.
Auch abseits der Medizin zeigt sich seine Liebe zur Bewegung und zum Miteinander. Dr. Yagura ist bis heute ein leidenschaftlicher Fußballfan. Wenn er in Deutschland ist, besucht er gerne Spiele von Borussia Dortmund, Schalke 04 oder Rot-Weiß Oberhausen. In Japan steht er selbst als Schiedsrichter auf dem Platz.
Was ihn über all die Jahre am tiefsten berührt hat, kann er kaum in einzelne Momente fassen. Es sind die Kinder selbst. Ihre Stärke. Ihre Nähe zu ihren Familien. Der Zusammenhalt in ihren Heimatländern, trotz großer Armut und schwieriger Lebensbedingungen. Diese Begegnungen haben seinen Blick auf die Welt verändert – und sein Engagement immer wieder neu bestärkt.
Dr. Yagura wünscht sich eine Welt, in der Organisationen wie das Friedensdorf nicht mehr gebraucht werden. Doch die Realität ist eine andere. Neue Krisen- und Kriegsherde entstehen, der Bedarf an medizinischer Hilfe wächst stetig.
In diesem Jahr war Dr. Yagura zum 50. Mal im Friedensdorf im Einsatz. Fünfzig Mal Zeit geschenkt. Fünfzig Mal Verantwortung übernommen. Fünfzig Mal Hoffnung weitergegeben. Er hat viele und vieles bewegt und ist dabei geblieben, wie man ihn kennt: ruhig und konzentriert, jemand, der hält und Hoffnung gibt.





